Kommen wir zu einem weiteren Aspekt der Alpha Presse. Ausstellungen und Aktionen waren das zweite unverzichtbare Standbein. Nicht zuletzt durch sie wurde Alpha Presse im gesamten deutschsprachigen Raum bekannt. In den Performances Wol Müllers sind Anregungen und Bezüge zu Fluxus, aber auch zu John Cage und Joseph Beuys nicht zu übersehen. Klänge und Bewegungen waren das wesentliche Kennzeichen dieser Veranstaltungen und immer wurden sie an Literatur angebunden, oft auch im Zusammenhang mit dem Erscheinen einer neuen Edition.

Die erste Veranstaltung dieser Art fand 1988 im Eschborner Kulturzentrum „Eschborn K“ statt. Eben war die vierte Edition „Lichtei“ erschienen. Neben engagierten Künstlern brachte Wol Müller sich sehr oft selbst als Tänzer mit freiem Tanz und Bewegungen im Raum ein.

Wol Müller scheute für Aufführungen und Aktionen auch nicht vor ungewöhnlichen Orten zurück. Unvergesslich sind die Auftritte im „Tennis und Squash Park Frankfurt Ginnheim“, auch ein Kuhstall in der Wetterau wurde zum Ort des Geschehens. Vorzugsweise fanden die Aktionen jedoch im musealen und bibliothekarischen Umfeld statt. Um nur einige Beispiele zu nennen: die Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, die Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg in Frankfurt am Main, Schloss Burgk an der Saale, die Universitätsbibliothek Basel, die Steiermärkische Landesbibliothek Joanneum in Graz, die Liechtensteinische Landesbibliothek in Vaduz, die Nationalbibliothek in Luxemburg, die Nationalbibliothek in Budapest, das Gran Teatre del Liceu in Barcelona und weitere internationale Performing Spaces. Weit gespannt war das Auftreten der Alpha Presse.

Noch drei Beispiele für die unterschiedlichen Aufführungspraktiken von Alpha Presse. 1999 wurden die zwölf Editionen „twelve places in coloured palace“ im Lesesaal der Frankfurter Universitätsbibliothek vorgestellt. Auf zwölf Tischen lagen die zwölf Bücher zum Blättern aus und durch Kopfhörer konnten die Texte der Editionen verfolgt werden. Die Aktion in Frankfurt wurde insofern zu einem Meilenstein der Alpha Presse, als erstmals der Klang bewusst inszeniert und mit einer CD die Medienkombinationen um eine weitere Facette erweitert wurden.

In Bregenz wurden im Jahre 2000 in einer zur Bibliothek umgebauten Kirche Texte von Karl Riha und Franz Kafka von der einstigen Orgelempore vorgetragen, während in der ehemaligen Vierung zu Klängen und Tanz eine Performance stattfand. Das Publikum nahm Platz rund um diese „Arena“.

2001 fand in der Frankfurter Universitätsbibliothek anlässlich der sechs Editionen „Blaue Orange“ und einer Ausstellung eine Farbperformance statt, bei der das Publikum als beteiligter Akteur in den Aktionsort direkt einbezogen wurde.

Klänge, Töne spielten von Beginn an eine immense Rolle, wobei die ungewöhnlichsten Objekte herangezogen wurden: Töpfe, Trillerpfeifen, Gläser, Tröten, Steine.

Seit 1996 – ein Jahr in dem zehn Editionen erschienen – wurde die aus Warschau stammende Polin Kasia Lewandowska unverzichtbare Mitwirkende der Alpha Presse Aktionen. Kasia Lewandowska ist ausgebildete Konzertharfenistin und Aktionskünstlerin. Ab Ende der 1990er Jahre legte sie erste Experimentalkompositionen auf diversen präparierten Harfen vor und begleitet seit dieser Zeit Aktionen der Alpha Presse mit überzeugendem Engagement. In dieser Zeit wurde auch das „Klangschale Tonstudio“ in Sulzbach am Taunus gegründet, in dem wichtige experimentelle Tonstudien erarbeitet werden.