1985 legte Wol Müller seine erste Edition „und küsse den tau des granatapfelbaums“ mit Lyrik von Ralph Günther Mohnnau vor. Mohnnau, promovierter Rechtsanwalt, ist Schriftsteller seit den frühen fünfziger Jahren. Lyrik und Texte für das Musiktheater sind seine bevorzugten Ausdrucksformen. Ohne das schriftstellerische Mitwirken, die geistigen Anregungen und – man muss es betonen – die mäzenatische Unterstützung Mohnnaus hätte Wol Müller die Alpha Presse nicht dreißig Jahre lang entwickeln können.

Heute befinden sich Werke der Alpha Presse in wichtigen Bibliotheken, Museen und Sammlungen weltweit, vom Haiku-Bungakukan (Haiku-Museum), Tokio, bis zur Library of Congress, Washington D.C., von der Széchényi-Nationalbibliothek, Budapest, bis zur Biblioteca Apostolica Vaticana, Vatikanstadt. Insgesamt sind die Künstlereditionen der Alpha Presse an zahlreichen nationalen und internationalen Orten und Einrichtungen der Welt vertreten.

Nicht verschwiegen sei, dass unter den 500 Editionen sich auch etliche Werke befinden, die vor allem unter dem Gesichtspunkt des Verkaufs entstanden. Schließlich und endlich muss der Künstler auch vom Verkauf seiner Kunst leben.

Dem Haiku gilt die besondere Liebe Mohnnaus. Tausende hat der Schriftsteller inzwischen verfasst und es in dieser Kunstform zur wahren Meisterschaft gebracht. Nicht wenige seiner Haiku sind in die Buchobjekte der Alpha Presse eingegangen. Davon wird noch zu sprechen sein. Jedoch beschäftigt sich Mohnnau auch mit Übersetzungen und Nachdichtungen. Schöne Beispiele sind die Drucke „Das Lied von Hildebrand und Hadubrand (WV 19 – 1990) und „Echnaton – Sonnengesang“ (WV 24 - 1991).

Die erste Edition – mit farbigen Lithographien, Collagen und einem Umschlag aus handgeschöpftem Papier – trägt schon manche der charakteristischen Ausdrucksformen, die alle folgenden Drucke und Buchobjekte kennzeichnen. Hervorzuheben ist, dass schon bei dieser ersten Edition der Computer (1985!) eingesetzt wurde.

Die künstlerischen Ausdruckformen, die Wol Müller schon in den ersten Editionen einsetzte, lassen das klassische Künstlerbuch, den bibliophilen Druck, weit hinter sich. Die Fragestellung lautete immer: Was kann das Buch noch sein, noch leisten!? Wol Müllers Editionen verlassen damit die gewohnten Sehgewohnheiten und beziehen nicht nur die verschiedensten Materialien ein – wie Metall, Stein, Holz, Stoffe, Plexiglas, transparent bearbeitete Folien – , sondern betreten in der Gestaltung der Papiere und ihrer Anordnung, in der Verarbeitung dieser verschiedensten Materialien immer wieder überraschende, noch nicht ausgetretene Pfade.

Ein weiteres zentrales Stilmittel ist die Collage im Werk Wol Müllers. Die Collage zieht sich in unterschiedlichsten Ausprägungen durch alle Editionen. Mal durch die Bearbeitung von Papieren, mal durch den Mix von Materialien, aber immer mit dem Ziel, dadurch neue Ausdrucksformen zu gewinnen.

Der Materialmix und die Collage bedingen natürlich, dass die meisten der Werke sehr empfindlich sind und somit, wenn sie dauerhaft erhalten werden sollen, einen entsprechenden Umgang von den Besitzern verlangen.